- Historisches Archiv, Indexnummer 322/84 –
Entwicklungsgeschichte der Terranischen Hegemonie
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatte die Menschheit in zunehmenden Ausmaß die Kontrolle über ihre eigene technologische Entwicklung verloren.
In der zweiten Dekade nach dem Zusammenbruch des Östlichen Blocks begannen sich die Landkarten der Erde mehr und mehr mit den neuen Grenzlinien der neuen Machtinteressen zu füllen.
Die zunehmend imperialistisch agierenden USA besetzten 2014 nach dem ehemaligen Irak auch noch den Iran und somit weitere Ölreserven.
Die aufsteigende Großmacht Chinas konterte mit der Besetzung Taiwans im selben Jahr und dehnte ihren Einfluß in Afrika mit Hilfe ihres offiziellen Protektorats Groß-Somalia auf den halben Kontinent aus.
Nach dem atomaren Anschlag der Taliban auf das Moskauer Stadtzentrum – als Protest gegen das erneute Engagement der Russen in Afghanistan – nutzte die chinesische Führung die folgende Regierungskrise zur stillen Intervention in Sibirien, das ohnehin schon seit Jahrzehnten von mehr Chinesen als allen anderen bewohnt war.
Damit verlor Russland eine seiner Schatzkammern.
Europa wiederum verlor mit dem Ausbruch des russischen Bürgerkrieges einen guten Teil seiner Energieversorgung. Um die Verteidigungsanstrengungen endlich unter einen Hut zu bringen, wurden Anfang 2017 die Vereinigten Staaten von Europa (VSE) gegründet – und entsandten sofort Truppen nach Osten, um Ordnung in das russische Chaos zu bringen.
Die UN, und ganz besonders der Sicherheitsrat, erwiesen sich in dieser Zeit, gelähmt durch die divergierenden Interessen ihrer Mitglieder, als vollkommen handlungsunfähig.
Alle Bemühungen, die Lage unter Kontrolle zu bekommen, erwiesen sich als vergeblich und führten bestenfalls zu Lippenbekenntnissen der Politik vor den Kameras.
Auch an den Fronten, an denen nicht geschossen wurde, verloren die UN einen Kampf nach dem anderen.
Die Klimakonferenz von Kopenhagen 2009 brachte keine Ergebnisse, ebenso wie die von Neu-Delhi 2012 und die von Los Angeles 2017.
Die Verschmutzungswerte der Erdatmosphäre stiegen währenddessen über jedes regulierbare Maß hinaus an.
Noch während der übliche harte Kern aus unverbesserlichen Deppen den Klimawandel weiterhin wegzuleugnen versuchte, gingen weltweit mehr und mehr Küstenstriche verloren, starben Korallenriffe, Dschungelflächen und Tierarten unwiederbringlich aus.
Die Flüchtlingsströme aus Afrika brandeten gegen die Südgrenze der VSE, die sich mehr und mehr in eine hochgerüstete Todeszone verwandelte, in der Tag und Nacht Schüsse fielen.
In Nahost glich auch Israel zunehmend eher einer belagerten Festung als einem organisiertem Staatswesen.
2021 verwandelten sich die USA aufgrund der zunehmenden Mißernten erstmals seit Menschengedenken in einen Importeur von Lebensmitteln.
Die Hungersnot im darauffolgenden Jahr war aber dadurch nicht zu verhindern, da es schlicht und einfach an der Infrastruktur zur Verteilung fehlte.
Beziehungsweise an der Wartung dieser Infrastruktur, denn die Weltwirtschaftkrisen von 2009, 2011 und 2015 hatten sämtliche Staaten der Erde in eine Verschuldung getrieben, die jeglichen Geldwert de facto lächerlich erscheinen ließ.
Das einzig ungebremst globale in dieser Zeit war die Wirtschaft, pleite war die Menschheit zu diesem Zeitpunkt aber trotzdem.
Und während normale US-Bürger verhungerten und die Reichen in ihren bewachten Städten weiter feierten wie bisher, starb in diesem Moment auch noch US-Präsident Simpson.
Sein Vize, George Wesson, übernahm das Amt ganz nach den Buchstaben der Verfassung – um diese direkt danach endgültig zu Grabe zu tragen.
Der 'Patriot Act IV' verwandelte die Vereinigten Staaten endgültig in einen faschistischen Alptraum.
Noch vor Ende des Jahres 2021 meldeten die noch freien Nachrichtensender bürgerkriegsähnliche Zustände aus weiten Teilen des US-Gebiets.
In diese immer mehr zusammenbrechende Welt schlug 2022 die 'Englische Grippe' ein wie der Blitz ins trockene Gras – H7N3 reiste binnen weniger Tage um die Welt und sollte sich als Fackel am Scheiterhaufen erweisen.
Das äußerst vermehrungsfreudige und heimtückische Virus versetzte der kollabierenden Struktur des Planeten den endgültigen Tritt.
Innerhalb von nicht einmal 8 Monaten waren mehr als 20% der Weltbevölkerung entweder krank oder bereits tot.
Den Europäern gelang es zwar trotz allem, in dieser Phase die Russlandkrise zu beenden, aber nicht die Energiekrise. Russland hinter dem Ural gehörte inzwischen den Chinesen.
Die Aufnahme der neuen Euro-Russischen Republik in die VSE änderte nichts an dieser Tatsache.
Im März 2023 versuchte China, mit einem Vormarsch in Richtung Nahost das Chaos erneut für sich zu nutzen. Die US-Truppen in der Region waren entweder ausgelöscht oder geschwächt und sollten nach Ansicht der Betonköpfe in Beijing kein Problem darstellen.
Die VSE waren nicht bereit, diese Rohstoffe auch noch den Chinesen zu überlassen und verlegten die noch kampfkräftigen Verbände in die Türkei und den Kaukasus.
China ignorierte auch diese Drohung.
Der Dritte Weltkrieg wurde niemals formell erklärt, er ergab sich einfach aus den Umständen. Nach dem ersten schweren Zusammentreffen der Volksbefreiungsarmee und der VSE-Truppen bei Isfahan schlug sich auch die indische Regierung auf die Seite des Westen und ging die Chinesen in ihrer Flanke an.
China antwortete mit der nuklearen Auslöschung Neu-Delhis.
Damit war das Maß voll, nur Stunden nach dieser Attacke erklärte Japan – oder vielmehr, was davon noch übrig war - sich ebenfalls solidarisch mit dem Westen und feuerte sein nukleares Material in Richtung chinesische Küste ab.
Hongkong, Shanghai, Macao, Kanton und Beijing verwandelten sich in strahlende Wüsten.
Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.
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Auf den Trümmern des verwüsteten Planeten fanden sich trotz allem Überlebende zusammen, langsam, aus unterschiedlichsten Gegenden und jeder mit seiner eigenen Geschichte.
Bis zur Mitte des 22. Jahrhunderts stieg die Weltbevölkerung erneut auf fast 3 Milliarden an, deutlich war zu erkennen, daß der Menschheit wieder einmal die Zeit davonlief.
Die Verantwortlichen erwiesen sich dieser Bezeichnung ausnahmsweise als gerecht.
Die Tatsache, daß ihre jeweiligen Völker ihnen im Zweifelsfall vermutlich bei lebendigem Leib die Haut abgezogen hätten, mag hierbei ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
Die Zeiten, wo Politiker quasi sakrosankt waren, waren lange vorbei.
Und so entstand mit Beginn des 23. Jahrhunderts die Terranische Hegemonie...

...eine seltsames Konglomerat aus überlebenden Menschen und überlebenden Staatsformen.
Erklärtes Ziel des Obersten Rats war es, die Menschheit von ihrem ausblutenden Heimatplaneten wegzubringen.
Irgendwo in der Galaxis...

...würde sich sicherlich eine Gelegenheit bieten, neue Welten zu betreten.
Wie ein irdisches Sprichwort dieser Zeit sagt: 'Woanders ist auf jeden Fall besser als hier'.
Mit Beginn des Jahres 2227 konnten die Wissenschaftler endlich den Durchbruch verkünden – schneller als Licht zu reisen war immer ein Traum gewesen, den zu erfüllen die Physik versagt hatte.
Bis jetzt.
Die Menschheit hatte keine Ahnung, wer sich ihr alles entgegenstellen würde...

...aber sicherlich würde es da draußen nicht nur erfreuliche Begegnungen geben, da war man sich im irdischen Planungsstab sicher.
Diesmal eins auf 'schmerzhaft'. Mal schauen, ob das was wird mit den neuen Welten