Morgenlicht und Morgengrauen
Bericht über die Reisen des Kapitäns Kucharz im Dienste seiner Majestät Bronislav IV. der Nordermark zu den Landen jenseits des Horizonts.
Vorwort:
Zum Danke verpflichtet bin ich seiner königlichen Hoheit, unserem Monarchen und Hüter des Reiches, Bronislav IV., der mich in seiner unendlichen Weisheit auserkoren hat, um das Kommando über eine der wichtigsten Expeditionen zu leiten, die es in diesem Menschenalter wohl gegeben hat. Diese wird, so soll dieses Skriptum zeigen, bereits wenige Monate nach Abschluss der ersten Fahrt, die Grenzen unseres Wissens erweitern, aber uns genauso zeigen, dass wir bisher viel zu wenig wissen über diese Welt und die Wunder und Gefahren, die Lebewesen, die über ihre grünen Kontinente und unter ihren blauen Meeren existieren. So zogen wir hinaus in das Unbekannte, jenseits der Inseln des Ersten Lichts, hinein in den Sonnenaufgang - und während wir den Mut, den Geist und die Weisheit Bronislav IV. bedurften, um den Weg in die Fremde zu suchen, bedurfte es dem Wirken der Götter, uns wieder wohlbehalten zurück in die Heimat zu führen. Denn die Dinge, die wir sahen, als wir die fremden Gestade erreichten, sind dazu geeignet, dem Tapfersten noch das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.
Zur Erforschung neuer Ländereien sandte die königliche Hofverwaltung uns Männer mit umfassenden Kenntnissen, wie sie eine Crew der Flotte niemals besitzen kann. Zeichner, Schreiber und Gelehrte, Druiden, Wundärzte, einige Priester, die für die Bewirtschaftung der königlichen Gärten verantwortlich sind und sogar ein Magiekundiger aus dem Heer des Reiches. All diese Männer trugen ihren Teil bei zu dieser Mission. Und so sie selbst unter Seeleuten nicht die Achtung erhalten haben können, die ihrer Profession angemessen ist, haben ihre Aufzeichnungen und das Wissen ihrer klugen Köpfe ebenso zum Abschluss der Erkundung beigetragen wie die schwieligen Hände eines jeden Matrosen an Bord.
So zeigen die nachfolgenden Seiten Auszüge aus den Bordtagebüchern der HMS Dubjangrod, ergänzt um Eintragungen aus meinem persönlichen Tagebuch. Sie stellen die Dinge war, die ich erlebt habe, so unglaublich und wundersam sie auch zu lesen sein mögen - sie entsprechen der Wahrheit, mögen die Götter meine Zeugen sein.
Kapitan Janosz Kucharz, Kommandant HMS Dubjangrod
20. Tag im 1. Blütenmond, Anno 15 nFS
Al Hissa. Aufbruch nach Osten. Der König hat in seine Gnade und Weisheit befohlen, eine Flotte gen Osten auszusenden und mir das Kommando über diese Operation übertragen. Weniger als ein Jahr nach der Schlacht vor Wjelkow eine gewaltige Ehre für mich, über die ich in diesem Buche Bericht erstatten will.
Es ist der Tag des Aufbruchs, nachdem wir mehrere Tage auf gewogenes Wetter warten mussten. Schiffe und Mannschaften sind bereit, alles ist zu meiner Zufriedenheit geregelt. Die Stauräume sind mit Lebensmitteln gefüllt, die Wasserfässer verschlossen. Jeder Mann ist mit Beil und Schwert ausgestattet, die Decks sind klarschiff gemacht und selbst in meiner Kabine wurden Kisten mit Schiffszwieback verstaut.
Ich gebe den Befehl zum Auslaufen kurz nach dem Morgengrauen. Wind Nordost, Kurs auf Inseln des Ersten Lichts.
26. Tag im 1. Blütenmond, Anno 15 nFS
Fahrt ruhig und ohne Vorkommnisse. Inseln des Ersten Lichts liegen wenige Stunden voraus. Werden Wasser aufnehmen und weitere Lebensmittel erhandeln.
Nachtrag: Vorräte aufgefüllt, kleinere Schäden am Bramsegel von NMS Hippo ausgebessert. Schlechtes Tauwerk bezogen. Kapitän der Hippo erhält den Auftrag, sämtliche Ausrüstung noch einmal zu sichten. Erstaunlich viele Händler auf Inseln des Ersten Lichts sprechen akzentfrei Nordermärkisch.
30. Tag im 1. Blütenmond, Anno 15 nFS
Wir verlassen die Inseln des ersten Lichts mit großer Freude auf das vor uns Liegende. Einige Männer sind erst spät an Bord zurückgekehrt, die letzten Vergnügungen bis zum Ende auskosten. Es wird vermutlich lange dauern, bis wir wieder andere Menschen treffen werden. Einige Schwalben und Seevögel begleiten uns aus dem Hafen, ein gutes Omen.
06. Tag im 1. Blütenmond, Anno 15 nFS
Haben seit über einem vollen Tag keine Sichtweite mehr zum Land. Laut Kartenmaterial örtlicher Fischer enden hier ihre Fischereigründe. Wir merken den Übergang zur offenen See. Der Wind wird stärker, aber die Temperaturen steigen.
Auch an Bord der Dubjangrod mangelhaftes Tauwerk gefunden. Glücklicherweise nur wenig. XO Dubjangrod beauftragt, die Beschaffungsbücher durchzusehen. Name des Lieferanten ist der Flottenverwaltung zu melden.
15. Tag im 2. Blütenmond, Anno 15 nFS
Eine kräftige Strömung hat uns erfasst und nach Norden getrieben. Wärmeres Wasser aus dem Süden scheint hier unseren Kurs zu kreuzen. Wir haben Schleppnetze ausgeworfen und seltsame bunte Fische gefangen, die einige der Gelehrten an Bord als Arten erkannten, die sonst nur in der Sonnenrepublik gehandelt werden. Außerdem fingen wir zwei Tiere mit schweren Rückenpanzern und flossenartigen Füßen. Sie können Kopf und Gliedmaßen in ihre Panzer einziehen und werden offenbar Schildkröten genannt.
21. Tag im 2. Blütenmond, Anno 15 nFS
Nach einigen Tagen an Deck sind beide Schildkröten eingegangen. Einige der Seeleute, die wir in Al Hissa angeheuert haben, behaupten, dass die Tiere essbar sind. Der Koch hat einige Experimente durchgeführt, die recht schmackhaft sind. Großes Erstaunen zeigte sich, als im Bauch eines Tieres Dutzende Eier gefunden wurden. Was für seltsame Tiere. Ich habe befohlen, beide Panzer zu präparieren. Es werden schöne Exponate werden.
22. Tag im 2. Blütenmond, Anno 15 nFS
Keine Beschwerden bei der Besatzung. Die gekochte Suppe war nahrhaft. Wenn man es schaffen könnte, die Tiere länger an Bord zu halten, könnten sie als lebender Proviant genutzt werden. Sie schienen genügsam und überhaupt nicht gefährlich.
30. Tag im 2. Blütenmond, Anno 15 nFS
Wir haben den Ursprungskurs wieder erreicht und segeln nun ostwärts der Südströmung. Wir sind vor einen Monat von den Inseln des Ersten Lichts aufgebrochen und seit dem auf See. Gestern kam es zu einem unerfreulichen Zwischenfall, als ein Matrose der Nachtwache des Diebstahls überführt wurde. Nichts ist schlimmer für die Moral der Männer an Bord, als Diebstahl und Misstrauen. Den Missetäter habe ich auf dem Oberdeck an einen Mast binden und eine halbe Stunde mit der Peitsche bearbeiten lassen.
06. Tag im 3. Blütenmond, Anno 15 nFS
Die See ist klar und frei von Stürmen, doch der endlose blaue Himmel und die Sonne zehren an den Nerven einiger Männer. Ich habe Übungen an Deck angeordnet, um die Matrosen in einen Wettbewerb kommen zu lassen, der sie ablenkt. Heute Abend doppelte Ration Taback für die schnellste Gruppe. Für die nächsten Tage noch einmal doppelte Ration Rum als Preis ausgesetzt.
10. Tag im 3. Blütenmond, Anno 15 nFS
Die Eintönigkeit macht uns zu schaffen. Selbst die Offiziere haben nicht mehr die volle Haltung, die ich von ihnen erwarten kann. An Bord der Gleve gab es einen ernsten Zwischenfall, bei dem ein Mann über Bord gegangen ist. Ein weiterer wurde wegen Mordes am Tage darauf verurteilt und über die Planke geschickt. Ab morgen werden wir zwei Gruppen bilden, um ein größeres Seegebiet zu erkunden. Hammerwald, Hellebarde und Muli werde nach Südost abdrehen, Gleve und Hippo bleiben bei der Dubjangrod und segeln Nordost. Wir bleiben eine Woche getrennt und kehren dann zu den aktuellen Koordinaten zurück.
14. Tag im 3. Blütenmond, Anno 15 nFS
Die Trennung der Flotte war eine gute Idee. Jeder muss nun noch mehr Achtsamkeit walten lassen, wenn er Land finden will. Das spornt die Matrosen neu an, doch allmählich gehen die ersten Vorräte zu Neige. Zum Frühstück das letzte Ei gegessen. Nachts lasse ich geteerte Planen auf Deck aufspannen, um Feuchtigkeit zu sammeln. Es kommt oft nur ein kleiner Eimer voll zusammen, aber wir müssen das Frischwasser auffüllen.
23. Tag im 3. Blütenmond, Anno 15 nFS
Erst heute kann sich die Flotte wieder vereinen. Ein heftiger Sturm hat uns mehrere Nächte zugesetzt und von unserem Kurs weit nach Norden abgetrieben. Wenigstens hat der Regen unsere Probleme mit dem Frischwasser gelöst. Die schnelle Wetterveränderung kam überraschend und einige Gerüchte kursieren an Bord. Einige Männer sind druidischen Glaubens und sie meinen, der Sturm sei nicht natürlichen Ursprungs. Nun, Seeleute sind abergläubisch, egal an welche Götter sie glauben.
28. Tag im 3. Blütenmond, Anno 15 nFS
Steuermann Miracule wurde heute sehr nervös. Er ist kein Anhänger Bernaels, sondern sehr freisinnig. Er bekam Fieber und sprach davon, Dinge zu spüren. Land sei nahe und starke Magie voraus. Die Gelehrten sprechen von einem Sonnenstich, doch ich mag nicht umhin kommen, seinen Worten Glauben zu schenken. Auch von den anderen Schiffen werden merkwürdige Beobachtungen von anderen Seeleuten berichtet.
02. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Heute Abend mit den Kapitänen der anderen Schiffe zusammen zu Abend gegessen. Eine Flaute hält uns seit heute Morgen fast auf der Stelle und wir nutzen die Zeit, um Reparaturen durchzuführen. Die Hippo hat inzwischen einige faulige Planken bekommen und starken Algenbewuchs. Ohne es offen auszusprechen, denken viele, es handele sich bei ihr um unser Unglücksschiff, obwohl der Magier dort an Bord ist. Die Planken konnten ausgetauscht werden und ich habe den Magier angewiesen, auf die Dubjangrod überzusetzen, um allen Gerüchten vorzubeugen. Außerdem möchte ich den Mann in der Nähe wissen, sollten die Gerüchte und Anzeichen sich verdichten.
05. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Der Magier und Steuermann Miracule haben sich lange unterhalten. Beide nehmen die Äußerungen des Anderen sehr ernst und auch die Seeleute suchen jetzt nach Zeichen. Auf See kann jede Vorwarnung vor den Elementen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Ich habe entschieden, den Kursvorgaben zu folgen, die Miracule mir heute vorlegt.
06. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Vom Adlernest aus ist kein Land zu erkennen. Die Sonne brennt vom blauen Himmel, doch den Männern tut es gut, ein konkretes Ziel zu verfolgen.
07. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Land!
Kurz vor Sonnenuntergang wird Land gesuchtet. Miracule ist wieder an Deck gekommen und auch der Magie ist wieder hier. Sie spüren Präsenzen dort draußen. Noch lasse ich die Flotte nicht weiter segeln. Die Küste ist unbekannt, wer weiß, welche Klippen uns in der Dunkelheit drohen. Während die Sonne hinter dem Horizont blutrot versinkt, lasse ich doppelte Portionen Rum ausgeben. Morgen fahren wir die Küste an.
08. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Mit dem ersten Sonnenstrahl befahl ich, die Flotte näher an die Küste heran zu bringen. Die Küste, vor der wir lagen, wirkte vertraut. Durch die Ferngläser konnten wir Nadelbäume erkennen, wie wir sie aus den weiten Wäldern der Nordermark kennen. Viele sahen darin ein gutes Zeichen. Die Annäherung an Land erfolgte ohne Störung. Untiefen und Klippen waren keine vorhanden. So brachen am frühen Vormittag je zwei Beiboote der Dubjangrod und der Hammerwald auf, die neuen Gestade im Namen seiner Majestät, König Bronislav IV., für die Nordermark in Besitz zu nehmen.
Das Banner, blau und golden, weht auf dem kühlen Sandstrand dieses fremden Land. Im Namen der alten und neue Götter, wie zur Ehre unserer geliebten Monarchin, benenne ich dieses Land Königin-Ludovica-Land. Während der Schiffskaplan ein Gebet spricht - sehr schöne Passage über die Erschaffung der Welt, die nicht nur unser Zemjana, sondern offensichtlich auch fremde Gestade einschließt - werden Steuermann Miracule und der Magier unruhig. Erst vermutete ich, sie würden sich an den Worten des Kirchenmannes stören, doch nur kurz darauf sah ich die Drei gemeinsam konferieren. Der Kaplan wiederholte etwas weiter im Landesinnere einige Psalmen, eine Segnung des Heiligen Milan von Dubjangrod und die Erquickung von frischem Quell, wie mir später berichtet wurde. Wieder verdunkelten sich die Gesichter unserer Magiekundigen.
Sie spüren Präsenzen in den Wäldern, an Land und in der Luft. Mir sind die Gaben der Magie nicht gegeben, ich kann nur beschreiben, was ein Blinder über Farben erzählen könnte. Doch bei den Worten unseres Kaplans muss sich ein Druck, wie kurz vor einem schweren Gewitter über das Land gelegt haben. Ich selbst habe nichts verspürt. Allerdings sprachen später an Bord zwei Matrosen, von denen mir bekannt ist, dass sie druidischen Glaubens sind, die Luft würde sich nach Regen anfühlen. Und dass, obwohl den ganzen Tag herrlicher Sonnenschein herrschte.
Ich habe befohlen, das Land nur bis zur Dämmerung zu erkunden. Danach sind wir gesammelt an Bord der Schiffe zurück gekehrt. Abends langes Gespräch mit Magier und Kaplan. Auch der Kaplan ist unruhig. Er meint, er fühle sich beobachtet. Wir beschlossen den Tag mit einer Andacht nach druidischer Art, in der Hoffnung die Geister der neuen Welt friedlich zu stimmen. Die Wachen für die Nacht verdoppelt.
09. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Wieder erwartet uns Sonnenschein und blauer Himmel, die Temperaturen sind mild. Fast wie in Fryklitz an einem Tag im Frühsommer. Erste Landgänge schon in der Früh. Wild, Frischwasser und genießbare Beerensträucher werden gefunden. Wie schön und gesegnet diese Gestade sind, dass ich die Ereignisse des vergangenen Tages fast als Aberglauben abtun will.
Während Männer an Land sind, entsende ich die Gleve und die Hellebarde auf Kurs nach Norden und Süden. Sie sollen herausfinden, wie groß das Land ist und berichten.
11. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Wir konnten unsere Vorräte auffüllen und uns mit Wildbret, Beeren und Wasser versorgen. Diese sollten für die Rückfahrt reichen. An den Stränden werden Perlen und Steine gefunden, die schön von Form sind. Wie mir vom König aufgetragen, lasse ich alles katalogisieren und Proben nehmen. Die Arbeit lenkt die Männer von den Mysterien ab, die sich an diesen Gestaden ergeben.
Der Magier kam zu mir. Seine Worte sind klar und prägnant. Es gibt definitiv Präsenzen, Geister, magische Orte und Gefahren. Wer auch immer da haust, übt wohl Schamanismus aus.
Auch wenn wir bisher noch keine Bewohner gesehen haben, so spürt er sie doch. Auch der Kaplan ist besorgt. Nach jeder seiner Messen berichten die Magiekundigen von Druck und einem Rauschen. Wären wir noch in Wjelkow könnte ich es als den Versuch werten, die Gläubigen zu beunruhigen. Aber hier? Wir sind auf uns alleine gestellt und Magier und Kaplan scheinen vernünftige Männer zu sein, die der Domäne des jeweils anderen respektvoll gegenüberstehen.
13. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Die Gleve lief mit der Morgenflut ein, die Hellebarde folge später am Tage. Sie fanden mehr Land. Gen Süden geht der Wald irgendwann Grasland in Grasland über. Königin-Ludovica-Land ist keine bescheidene Insel. So viel steht fest.
16. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Noch vor der Dämmerung werde ich an Land gerufen. Man stieß auf Spuren von Wölfen und Bären - und auf Fußspuren von zweibeinigen Landbewohnern. Auch Kaplan und Magier waren bei mir. Ich verstehe nicht genau, was die beiden tun, aber sie scheinen eine Art geistiges Fährtenlesen zu versuchen. Ich kann anhand von Spuren erkenne, ob ich einen Wolf oder ein Schaf verfolge. Sie versuchen es mir zu erklären und wirken besorgt.
17. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Nachtrag zur Küstenlinie. Der Captain der Hellebarde berichtet, dass es nach Süden hin wärmer wird.
Wir suchen weiter nach Fußabdrücken. Im Tageslicht kann ich sie mir noch besser ansehen. Sie sind größer und gröber als menschliche Füße. Die Abdrücke wirken auch schwerer.
Ein Matrose von der Muli wird tot im Wald gefunden. Kameraden behaupten, er habe über die Vorsicht der Erkundung gelacht und die Ahnungen des Magiers als heidnischen Humbug abgetan. Danach habe er sich über einigen der Fußspuren erleichtert. Am Abend lehnt er tot an einem Baum. Spuren von körperlicher Gewalt können nicht festgestellt werden. Der Magier wirkt sehr bleich und spricht von einer Art Fluch. Dunkler und stärker als alles, was er je gespürt hat. Ich gebe Anweisung, den Mann wieder an Bord zu bringen. Er wird nicht an Land begraben, sondern erhält ein Seemannsgrab. Der Kaplan wirkt dankbar. Im Vertrauen sagt er mir, er wolle nicht vor seiner Pflicht zurückweichen, doch er sei froh, den Gottesdienst auf See und nicht an Land verrichten zu können.
Was ist das für einen Ort, den wir hier gefunden haben?
18. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Ich befehle, nach Süden zu segeln. Während der Fahrt wird der Matrose der See übergeben. Trotz intensiver Suche sind uns keine Zweibeiner begegnet. Wir werden es weiter im Süden versuchen. Wenn das Land offener wird, nehmen hoffentlich auch die Gerüchte ab und nicht hinter jedem Baum findet sich ein böse Geist. Die Reise auf See tut den Männern gut. Sie können Dinge tun, auf die sie Einfluss haben.
23. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Von der Küste aus sichten wir Hütten und Felder. Wer auch immer hier lebt, wir haben ihn gefunden. In einigem Abstand gehen wir vor Anker. Späher ausgeschickt. Sie nähern sich den Hütten und bringen die Waren mit, die wir aus der Heimat zum Handeln mitführen. Met und Fälle, gute Werkzeuge. Zunächst ist niemand zu sehen. Dann jedoch brechen große, braune Wesen mit Buckel und einfachen Waffen aus dem Dickicht hervor, die den Expeditionstrupp rasch durch bloße Körperkraft überwältigen. Berichten kann einer der Männer, der in der Nähe des Beiboots blieb, um aus dem Gebüsch zu beobachten. Wenigstens haben wir einige der Einheimischen ebenfalls erledigt. In mir schreit alles nach Rache. Ich habe einige Hundert Männer dabei. Ein Dorf wird nicht viel Widerstand leisten können. Aber der König befahl eine friedliche Kontaktaufnahme, wenn wir Fremden begegnen. Wir werden es noch einmal versuchen müssen.
26. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Ich schreibe diese Worte im Licht einer flackernden Kerze, mit noch immer zitternden Händen und Blut auf meinem Hemd. Wir unternahmen einen zweiten Versuch und dieses Mal begleitete uns der Kaplan. Er sei ein Mann des Glaubens und ein Mann des Friedens. Jedes vernunftbegabte Wesen würde das erkennen. Er hat bitter für diese Entscheidung gezahlt. Die Einheimischen haben ihn erschlagen. Wir wurden wieder angegriffen und haben uns mit allen Mitteln verteidigt. Ich schwöre bei den neuen und alten Götter, wir haben der Nordermark alle Ehre bereitet, wie wir sie im Kampfe zeigen können, doch sie haben sich direkt zu ihm durchgekämpft. Als hätten diese Wilden es genau auf unseren Kaplan abgesehen. Mögen alle Götter seiner Seele gnädig sein, denn nicht einmal seine Leiche haben wir bergen können. Die Einheimischen haben sie mit sich genommen.
27. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Schon vor dem Sonnenaufgang kommt der Magier zu meiner Kabine. Er will noch einen Versuch wagen, mit den Einheimischen zu reden. Wenn sie einem geweihten Priester Bernaels feindlich gegenüber stehen und hier Magie gewirkt wird, so könnte er versuchen, auf dieser Ebene mit den Fremden Kontakt aufzunehmen. Er bittet um meine Erlaubnis und schweren Herzens gewähre ich sie ihm. Die Eskorte ist besser bewaffnet, Lanzen, Schwerter und Bögen werden ausgegeben.
Er wirkt etwas, das er "Ruf des Friedens" nennt, doch auch das erweist sich als Fehlschlag. Es kommt zu einem erneuten Kampf. Die Haut der Wesen erweist sich als dick und beständig. Sie werden durch Pfeile zwar verletzt, aber gehen nicht direkt zu Boden. Am Ende des Tages verliere ich fünf Männer.
Abends gemeinsames Mahl mit den übrigen Kapitänen der Flotte und dem Magier. Wir werden abreisen.
Die Mittel dieser Expedition für eine Kontaktaufnahme sind erschöpft. Ich sehe den Einheimischen nur mit Gewalt beizukommen. Sie bringen weder dem alten noch dem neuen Glauben Respekt entgegen und sind in ihrem Wesen und ihrer Erscheinung eine Bedrohung für den Menschen.
Die Gelehrten an Bord konnten Skizzen zeichnen, um das Erscheinungsbild der Fremden für die Menschen in der Heimat festzuhalten. Ich füge sie diesem Buche bei, in der Hoffnung, dem Feind ein Gesicht zu geben. Möge jeder Leser sich einprägen, was wir erlebt und gesehen haben.
28. Tag im 1. Sommermond, Anno 15 nFS
Wir verlassen die neue Welt in dem Gefühl, nicht zu verstehen, welche Regeln hier gelten. Das Land ist fruchtbar und reich an Tieren und Pflanzen. Für das Leben von Menschen geeignet. Was wollen die alten und neuen Götter uns damit sagen, dass an so günstigen Gestaden eine so frevelhafte Spezies haust, dass weder friedlicher Handel, noch Bernaels Glaube noch magisches Wirken zu einer Kontaktaufnahme beitragen kann? Ich habe von Stämmen gehört, die angeblich nur respektierten, wenn man sich ihnen im Zweikampf stellte und ihre Krieger besiegte. Erst dann waren sie bereit, in einen friedlicheren Austausch zu treten. Mag es hier auch so sein? Oder ist auf die Einheimischen kein Maßstab der Menschen anzuwenden?
Vor meinem Herren, dem König der Nordermark, den alten Göttern des Nordens und vor Bernael gelobe ich, dass alles was ich niederschrieb, sich so zugetragen hat, wie ich es erlebt habe. Abgeschlossen und unterzeichnet von Kapitän Kucharz, HMS Dubjangrod, ein Jahr nach der Reise in die neue Welt zu Wjelkow, am 06. Tag im 3. Sommermond, Anno 16 nFS.