Brief von Bischof William Wake (Lincoln) an einen befreundeten Abt (1706)
Da unser Heiliger Vater von Gott heimgeführt wurde und nun gewisslich für seine Treue und Frömmigkeit reichen Lohn erhält, steht im Herbst die Wahl seines Nachfolgers an. Anders als zu Zeiten der mächtigen Großkhane ist der Einfluss des weltlichen Armes auf die Wahl recht deutlich geschwunden, obgleich viele unserer Amtsbrüder einen freundschaftlichen Umgang mit ihrem jeweiligen Landesherrn haben. Die Kardinäle können daher – wie es zweifellos der gesunden Tradition und Lehre entspricht – den geeignetsten Kleriker der Weltkirche zum neuen Papst zu wählen. Wie Euch vielleicht bereits zu Ohren kam, soll es im Augenblick fünf Männer geben, denen besonders gute Aussichten auf dieses schwere Amt im Dienste des Höchsten eingeräumt werden:
Patriarch Elkim von Sarai gilt nach dem Papst als mächtigster Oberhirte der Kirche, und zur Zeit der mongolischen Weltherrschaft amtierten zwischen 1303 und 1601 nicht weniger als 23 Päpste, die bei ihrer Wahl den Erzstuhl zu Sarai innehatten. Weitere sechs kamen damals als Erzbischöfe von Kiew in dieses hohe Amt, und nur acht entstammten dem kleinen Kreis der Kurienkardinäle oder einer anderen Provinz des Mongolischen Reiches. Seit sich jedoch die Macht der Großkhane im Niedergang befindet, wurden meist Männer gewählt, die zuvor in Rom ihren Dienst getan hatten, wo auch immer ihre ursprüngliche Heimat lag. Zudem hat Elkim bereits das 83. Lebensjahr erreicht und ist sehr eng mit Dagomys und Großkhan Putraq verbunden, dessen Beichtvater er in seinen Jahren als Dekan der theologischen Fakultät in der mongolischen Hauptstadt war. Viele Europäer dürften ihn daher vermutlich nicht als Wunschkandidaten ansehen, obgleich seine Frömmigkeit und Gelehrsamkeit allgemein anerkannt sind.
Patriarch Theodoros von Jerusalem entstammt ebenfalls dem Klerus des Patriarchats Sarai, wahrte aber stets eine gewisse Distanz zur den Großkhanen und erwies sich beim Konzil als kluger Vermittler in theologischen wie in politischen Fragen. Mit fast 68 Jahren ist Theodoros jedoch nur wenig jünger als der verstorbene Siricius, und auch seine bekannte Offenheit gegenüber den Lehren Luthers wird nicht allenorten für gut befunden.
Erzbischof Ögedei von Prag aus altmongolischer Familie wird wegen seiner Gelehrsamkeit und seiner politischen Zurückhaltung in Europa sehr geschätzt. Unter den Kardinälen aus dem Heiligen Römischen Reich und Italien ist er außerordentlich beliebt und gilt daher vielfach als Favorit der kommenden Wahl. Manche Äbte werfen ihm aber ein zu enges Verhältnis zur böhmischen Krone und zum Deutschen Orden vor, dem drei seiner Brüder angehören. Zudem soll er den Lutheranern besonders feindselig gegenüberstehen.
Kardinal Giovanni Francesco Albani entstammt altem albanisch-mongolischem, wenn auch seit langer Zeit im Kirchenstaat ansässigem Adel. Da seine Familie in ganz Oberitalien sehr gut vernetzt ist, hätte er wohl besonders großen Einfluss auf den Klerus der Region. Zugleich gilt der 57jährige als Freund Frankreichs und Gegner des kanarischen Khanats.
Pater Vincenzo Maria Coronelli OFM aus Venedig ist als Mann von großer Gelehrsamkeit in verschiedenen Wissensbereichen wie der Mathematik, der Astronomie und der Geographie hervorgetreten. Er amtiert seit 1694 als Rektor der Universität zu Konstantinopel und stellte für Großkhan Putraq V. sogar einen eigenen Globus her. Pater Vincenzo steht erst in seinem 56. Lebensjahr und könnte daher eine besonders lange Amtszeit erreichen.